In meiner Auffassung ist Stolz kein statischer Zustand sondern das positive Gefühl nach einer vollbrachten Leistung, einer überwundenen Schwierigkeit, einer gut zu Ende gebrachten Aufgabe. Und dieses Gefühl der Zufriedenheit gibt Kraft und Zuversicht für weitere Taten.
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Stolz [von mnd.: stolt = prächtig, stattlich] ist das Gefühl einer großen Zufriedenheit mit sich selbst oder anderen, einer Hochachtung seiner selbst – sei es der eigenen Person, sei es in ihrem Zusammenhang mit einem hoch geachteten bzw. verehrten „Ganzen". Der Stolz ist die Freude, die der Gewissheit entspringt, etwas Besonderes, Anerkennenswertes oder Zukunftsträchtiges geleistet zu haben. Dabei kann der Maßstab, aus dem sich diese Gewissheit ableitet, sowohl innerhalb eines eigenen differenzierten Wertehorizonts herausgebildet als auch gesellschaftlich tradiert sein. Im ersten Fall fühlt man sich selbst bestätigt und in seiner Weltanschauung bestärkt, im anderen Fall sonnt man sich in der gesellschaftlichen Anerkennung. Daraus folgt auch, dass beispielsweise der Stolz auf das eigene Land eher eine Art der Anerkennung darstellt, da der Einfluss eines Individuums auf den Zustand des eigenen Landes vernachlässigbar ist.
Die Familie Rosenbrok - in der bergigen Schweiz im Urlaub - macht eine Wanderung. Die Tour hoch zum Hohen Kasten führt durch das Brüeltobel, das Kennern als schattig und steil bekannt ist. Mit von der Partie ist Sohnemann Charlie, ein sportlicher Spätzünder und einen Wimpernschlag vom 11. Geburtstag entfernt.
Der Anstieg setzt ihm merklich zu. Er beginnt zu schwitzen. Sein Atem ist nun von allen zu hören. Seine Anstrengung ist nicht nur für ihn körperlich spürbar.
Aber
er jammert nicht rum
und versucht auch nicht, aus dieser Nummer rauszukommen
sondern
er kämpft ("Das schaff ich.")
und ermutigt sich ("Schaut mal, wie hoch wir schon sind.").
Oben angekommen schreit der Körper, aber der Geist jubiliert. Stolz lässt die Brust anschwellen, er ballt die Faust und ruft befreit "Yes!"
In den nächsten Tagen wird der Ausflug machomässig klein- und dadurch auch grossgeredet. "War gar nicht so schlimm." - "Muskelkater? Überhaupt nicht."
Aber
er hat sich nicht auf den Lorbeeren ausgeruht ("Ich hab's geschafft. Jetzt verschont mich mit ähnlichen Vorschlägen.")
sondern
er hat die Familie aufgefordert, in Bälde die nächste Bergwanderung zu machen.
...
Die Familie hat die nächste Bergwanderung innert einer Woche absolviert. Und Wanderferien im nächsten Sommer sind momentan eine hochdotierte Option.
Was will ich damit sagen?
Dieses Beispiel illustriert für mich das Motto von Andreas Müller (Gründer Institut Beatenberg): Schule muss erfolgreich sein.
Stolz, Befriedigung, Freude folgt auf eine Anstrengung. Und gleichzeitig wirkt dieses positive Gefühl als Antriebskraft für neue Herausforderungen (#Selbstwirksamkeitserwartung, #Extensionsgedächtnis, #Erfahrungsschatz).
Lernen ist anstrengend - natürlich! Aber es winkt eine Belohnung.
Und diese Belohnung darf nicht die Note sein. Denn sonst würden immer viele Schülerinnen und Schüler frustriert dastehen.
Alle Lernenden müssen so oft wie möglich positive Lernerfahrungen machen können. Und diese Erfahrungen sind dann positiv, wenn wir Lehrenden die Leistungen an der Individualnorm messen. "Was hast du gut bzw. besser als das letzte Mal gemacht?" "Woran erkenne ich, dass du dir Mühe und dein Bestes gegeben hast?"
Und es wird noch ein weiteres Thema gestreift: #Ziele
Charlie hat auf dieser Wanderung drei Ziele verfolgt.
mittelfristig und übergeordnet: Ich möchte Sportler sein. (Verweis auf meinen Blogbeitrag "Steter Tropfen formt den Stein") https://www.learningpersonality.net/post/gewohnheiten-und-ziele
kurzfristig: Ich möchte auf dem Hohen Kasten ankommen.
unmittelbar: Ich laufe bis zu diesem Baum, dieser Kurve, dieser Bank...
Ziele beschreiben ja einen veränderten Zustand. Und Lernen und Entwickeln passieren nicht in der Komfortzone, in der alles gewohnt und bekannt ist. (#Komfortzonenmodell) Man muss aus der Komfortzone raus, die Angstzone überwinden (oder den Rubikon überschreiten), um in die Lern- und Erfahrungszone zu kommen. Und #Selbstwirksamkeitserfahrungen geben dir die Kraft, den Mut, das Vertrauen und die Motivation, diesen Schritt zu tun.
Ich höre den Podcast von Markus Lanz und Richard David Precht, und in Folge 20 reden die beiden über genau diese Thematik. Ich führe ein paar Zitate an.
P: "Häufig sind Tätigkeiten, während man sie tut, nicht lusterfüllend. Aber es ist unglaublich lusterfüllend, sie getan zu haben. Wenn ich diese ganze Dimension der Anstrengung aus dem Leben rauskürze, dann kommt kein Glückszustand dabei raus."
Lanz hat schon anstrengende Expeditionen zum Nordpol gemacht und sagt darüber: "Das ist die Art von Urlaub, die erst hinterher schön wird. Du musst vorher erst etwas ertragen, aushalten und dann gibt es irgendwann dieses Gefühl einer tiefen Befriedigung. Wenn du was geleistet hast, wenn du was erreicht hast, und zwar gegen alle denkbaren Widerstände, und du hast es trotzdem gepackt. Und dieses gute Gefühl, das muss man sich erarbeiten, das kriegt man nicht geschenkt."
P: "Und offensichtlich haben wir in unserer Gesellschaft ein ganz grosses Loch. Wir schaffen das gar nicht, viele Menschen dazu zu motivieren Selbstwirksamkeitserfahrungen zu machen, die positiv sind."
Die beiden streichen also auch deutlich den Zusammenhang heraus zwischen Befriedigung, Stolz, Glück auf der einen und Anstrengung, Widerstände überwinden, 'blood, sweat and tears' auf der anderen Seite. Und das letzte Zitat von Precht ist sicher nicht auf die Schule und die jungen Menschen gemünzt, ich sehe da aber schon einen Bezug.
Haeggars Schnappschuss 2208
Eigene Gedanken gerne an: fiete-clausen@mail.ch
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