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Uwe Jungclaus

Steinchen im Schuh

Ich beschäftige mich momentan intensiv mit #Resilienz, mit #Stoizismus, mit dem #Sinn_des_Lebens und ähnlichen Themen. So habe ich in einer Psychologie-Zeitschrift einen Artikel von Andreas Knuf mit dem Titel «Steinchen im Schuh» gelesen. Einige Stellen haben Gedanken ausgelöst, die ich hier teilen möchte.

 


Mann mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck liest ein Buch

„Die meisten Menschen lassen sich eher von ihren Ängsten leiten als von den eigenen Bedürfnissen.“ Angst kennen wir in vielen Facetten. Angst, etwas zu verpassen, gegen Abmachungen zu verstossen, vor der Meinung anderer, vor Veränderung, zu versagen… Was könnte alles passieren? Welche Risiken gehe ich ein? Diese Fragen stellt sich der Extremsportler und Berufsabenteurer Jonas Diekmann nicht bzw anders. Er überlegt sich nämlich: Was passiert, wenn ich diese Herausforderung NICHT annehme? Ähnliche Gedanken provoziert Tim Ferriss, der vor Entscheidungen ein #fear-setting empfiehlt. Hier listet man alles auf, was schieflaufen könnte. Dazu notiert man prophylaktische Massnahmen (zur Verhinderung) und lindernde (wenn es passiert ist). Und ganz wichtig ist anschliessend die Frage: Wenn ich mich dagegen entscheide, was ist dann in einem Monat, einem Jahr, in drei Jahren? Ausserdem gibt es relativ wenige berechtigte, reale Angstgründe und Gefahren und dafür sehr, sehr viele Gedanken über potentielle, vielleicht sogar unwahrscheinliche Misslichkeiten. «Deine Sorgen nehmen dir nicht die Probleme von morgen, sie rauben dir die schönen Momente von heute.»

 

„Wir glauben heute, dass es unser Versagen ist, wenn wir etwas nicht hinbekommen.“ (innerer Kritiker). Einerseits sind diese Befürchtungen sicher weitverbreitet und führen zu ernsthaften Belastungen. Zugrunde liegt sicher eine zu enge Sichtweise, die ausser Acht lässt, dass wir viele Situationen gar nicht in unserer Kontrolle haben. Der Stoiker würde in diesem Falle unter dem Stichwort #Dichotomie_der_Kontrolle gar keine schlechten Gefühle aufkommen lassen. Andererseits lässt sich aber auch die gegenteilige Haltung beobachten. Man gibt den äusseren Umständen und den anderen Menschen die Schuld und nimmt sich aus der Gleichung raus. Unter diesem Mindset wird sich nichts ändern, sodass die Gefühlslage gleich schlecht ist wie unter der zitierten Haltung.

 

„Der erste Schritt zu einer Lebensgestaltung mit mehr Zufriedenheit ist also zunächst die Wahrnehmung unserer Bedürfnisse. Der nächste Schritt wäre dann, dem Bedürfnis auch zu folgen.“

Zu Bedürfnissen kommt mir reflexartig die Maslow’sche Pyramide in den Sinn, obwohl mir die dynamische Darstellung besser zusagt (siehe Darstellung). Auf den höheren Ebenen geht es dann sicher auch um den Sinn des Lebens. Mit diesen Fragen habe ich mich auch schon auseinandergesetzt (link homepage). Was macht mich glücklich (#Ikigai)? Was ist mein #Element (Ken Robinson)? Was ist mein Sinn des Lebens (John Strelecky)? Auf welchen Säulen ruht ein erfülltes Leben (Emily Esfahani Smith)? Wie möchte ich gelebt haben (Harald Welzer)? Strelecky beschreibt in seinem Bestseller „Café am Ende der Welt“ auch, dass man – sobald man seinen Lebenssinn definiert hat – quasi zwangsläufig darauf zustrebt. Den Zusammenhang zwischen Sinn und Zufriedenheit erkennt man auch gut in dem Bonmot von Nietzsche: Wer ein WARUM zum Leben hat, erträgt fast jedes WIE.

 


dynamische Darstellung der Bedürfnisse nach Maslow

„Wenn wichtige Wünsche, Träume oder Sehnsüchte sich nicht erfüllt haben, dann bleibt nur die Trauer. Ich kenne tatsächlich keine andere Möglichkeit, ein ungelebtes Leben oder einen Verlust zu bewältigen.“

Hier würde ein Stoiker eine wichtige Unterscheidung machen. Befinden sich dies Wünsche in einem Umfeld, das ich unter Kontrolle habe? Oder entzieht sich das Ergebnis meinem direkten Einfluss? Beispiel: Wenn man sein Möglichstes gibt aber trotzdem nicht ins Fanionteam aufgenommen wird, weil die Position von einem besseren Spieler besetzt wird, dann liegt das ausserhalb der eigenen Kontrolle. Dementsprechend dürften die Emotionen nicht (zu lange zu) negativ sein.

Nach der Logik der Stoiker hat man auf die Vergangengeit sowieso keinen Zugriff und kann nichts mehr daran ändern. Steuern kann man aber die Gedanken und Handlungen in der Gegenwart. Und hier kann man vielleicht ansetzen, um die Wahrscheinlichkeit der Wunscherfüllung zu erhöhen.

Die Vergangenheit ist passé und die Zukunft ungewiss – leben können wir nur im Hier und Jetzt.

 

Wie kann man nun mit Schicksalsschlägen ‚gesund’ umgehen?

„Aber in einer Kultur, in der wir vermeintlich die Gestalterinnen und Gestalter unseres Lebens sind, da fällt uns unsere Haltung zum Leben auf die Füsse. - Eine Art Schicksalsergebenheit ist hier also hilfreich? - Wenn eine Annahme des Schicksals stattfinden kann, verändert sich häufig etwas.“

Gläubige Leute können ihr Schicksal in die Hände ihrer Gottheit legen und finden so Trost und Halt. Wenn dieser Ansatz fehlt, dann ist man zunehmend auf sich selbst geworfen. Als Macher ist man im Umkehrschluss auch verantwortlich. Wie schon mehrfach erwähnt, übernimmt der Stoiker aber nur Verantwortung in den Situationen, in denen er die Kontrolle hat.

 

„Annahme ist in Wirklichkeit das Ergebnis eines innerpsychischen Verarbeitungs-prozesses. Es bedarf vor allem einer Auseinandersetzung mit Gefühlen, Sehnsüchten, Träumen, unerfüllten Wünschen.“

Auch hier kann es wiederum darum gehen, ob die zu akzeptierende Situation im ‚circle of control‘ liegt. Wenn ja muss man sich überlegen, was man anders oder besser machen kann, um die Erfolgschance zu erhöhen. Wenn nein stellt sich die Frage, wie man den Wunsch abändern kann, so dass er besser kontrollierbar ist. Grundsätzlich ist eine Fokussierung weg vom Ergebnis hin zum Prozess zufriedenstellender, denn nur auf die eigenen Handlungen hat man einen massgeblichen Einfluss.

 

„Wenn wir annehmen, dass wir uns und unser Leben nicht wirklich im Griff haben, sind wir viel zufriedener. Akzeptanz ist die wichtigste Fähigkeit, um die Geschenke des Lebens überhaupt wahrnehmen zu können. Wenn wir uns selbst akzeptieren, dürfen wir so sein, wie wir nun mal sind, und müssen nicht ständig an uns arbeiten, um halbwegs vorzeigbar zu sein.“

Einen direkten Zugriff haben wir nur auf unsere eigenen Gedanken und Handlungen. Da wir aber Teile sind in verschiedenen Systemen mit mannigfachen, komplexen Abhängigkeiten und Einflüssen, sind wir zu einem ansehnlichen Teil Spielball des Schicksals. So sein zu wollen, wie einen die anderen gerne haben wollen, ist ein schlechter Lebensplan.

Es lohnt sich aber schon, die bestmögliche Version deiner Selbst anzustreben.

 


 

 

 

 

Quellen

Andreas Knuf. Das Steinchen im Schuh. Psychologie heute compact, 2022/70, S. 6-

 

 

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